Juden in Kestrich
Das 3.036 qm große Gelände des jüdischen Friedhofs liegt am Hang hoch über dem Ort am Waldrand. Auf dem von einer Natursteinmauer umgrenzten Gelände befinden sich (in zwei älteren und einem neuen Teil) über 50 sichtbare Grabstellen. Das Alter des Friedhofs ist nicht bekannt; er soll bereits um die Mitte des 18. Jahrhunderts bestanden haben. Die teils beschädigten Denkmale wurden kürzlich restauriert und aufgerichtet. Namen wie Bacharach, Kapenberg, Katz und Goldenberg kommen vor. Von den Goldenbergs wanderten viele zwischen 1850 und 1870 nach Amerika aus; sie haben ihrer Heimatgemeinde beträchtliche Geldmittel zukommen lassen, so dass diese eine Zeit lang völlige Steuerfreiheit genoss.
Um 1600 schon sollen Juden in Kestrich heimisch gewesen sein. Aus dem Jahr 1650 sind die Namen Liebmann, Isaac, Godschalc, Mosche, Smiel, Wolf und ein Schulmeister Veit bekannt. Fünf Jahre später werden die Juden Hirtz und Abraham genannt.
Im Jahr 1834 lebten 73 Juden in Kestrich (15,94% der Gesamtbevölkerung), 1895 waren es 39 (12,83%), 1905 – 33 (11,62%) und im Jahr 1933 waren nur noch 5 jüdische Familien (16 Personen) in Kestrich – 3 Viehhändler und zwei Gemischtwarenhändler.
Im ersten Weltkrieg ließen Moses Katz und Siegmund Bacharach ihr Leben für das Vaterland.
Es kann angenommen werden, dass eine jüdische Religionsgemeinde in Kestrich im späten 19. Jahrhundert entstanden war; die Namen der Vorsteher und der Vorsänger kennt man allerdings erst von 1899 an bis 1936. In diesem Jahr soll sich die Religionsgemeinde aufgelöst haben. Die Namen der Lehrer lassen sich in ununterbrochener Reihe bis zum Jahr 1834 zurückverfolgen.
Jirreschul Kestrich
Die ehemalige Jirreschul (Judenschule) in Kestrich stellt aufgrund ihrer direkten Nachbarschaft zur Dorfkirche im Ortsmittelpunkt als klassischer Typus der einfachen Landsynagoge ein städtebauliches und regionalgeschichtliches Kulturdenkmal von besonderem Stellenwert dar.
Das Fachwerkhaus, ursprünglich, ca. Ende des 18. Jahrhunderts, als schlichtes, dreizoniges Gebäude mit einer angehängten vierten Zone, der ehemaligen Synagoge (vermutlich seit Beginn als Privatsynagoge genutzt), in konstruktivem Eichenfachwerk errichtet, wurde im Laufe des 19. Jahrhunderts zum religiösen Mittelpunkt der jüdischen Gemeinde Kestrich.
Außer dem Synagogenteil (41 Männer- und 17 Frauenplätze) enthielt das Gebäude Lehrerwohnung und Schulräume. Nach der völligen Zerstörung der Inneneinrichtung in der Pogromnacht 1938 sowie der Vertreibung bzw. Verschleppung der meisten jüdischen Einwohner wurde das Gebäude 1940 von der Gemeinde Kestrich verkauft.
Der heutige Eigentümer hat den Wohn- und Schulbereich in den letzten Jahren niederlegen und unter Verwendung alter Fachwerkteile als Wohnhaus neu aufrichten lassen. Von der ehemaligen Raumaufteilung ist durch diese Eingriffe nichts mehr erkennbar. Der Synagogenteil wurde mit der Baumaßnahme von den übrigen Gebäudeteilen getrennt und steht inzwischen, im Inneren entkernt aber in den Außenwänden fast unverändert, als „Ruine“ neben dem Neubau.
Schon längere Zeit gibt es Bestrebungen, die Synagoge zu retten und einer neuen Nutzung zuzuführen.