Das Wildfrauloch in Groß-Felda
Am Lohberg befindet sich in Groß-Felda heute noch eine kleine Felshöhle, die vormals viel größer gewesen sein soll. Von hier aus soll ein unterirdischer Gang bis nach Klein-Felda in die Erlen gegangen sein. Einmal wird berichtet, dass auf beiden Seiten des Berges ein Kloster gewesen sei und dieser Gang eine unterirdische Verbindung dargestellt habe. Eine andere Version berichtet von zwei ehemaligen Schlössern, die durch diesen Gang eine Verbindung hatten. Im Volksmund heißt die Felshöhle heute noch Wealfraaloch (Wildfrauloch).
Weiterhin wird erzählt, dass unter dem besagten Berge ein großer unterirdischer See sei.
Der alte Keller (Stumpertenrod)
Im Pfarrwald soll der Sage nach ein alter Keller liegen, von welchem aus ein unterirdischer Gang bis zur Burg Ulrichstein führen soll. Die Ritter benutzten ihn bei einer Belagerung, um die Feinde umzingeln und von hinten angreifen zu können.
KIRCHHOFSGANG
Dieser soll unterhalb des alten Wasserbasins gelegen haben. Die Helpershainer und Köddinger hätten hier ihre an der Pest Verstorbenen begraben.
Der böse Gefährte
Ein armer Weber aus Heimertshausen war in Schellnhausen gewesen, hatte dort eine Last Garn geholt und ging nun heimwärts durch den Wald, der zwischen beiden Orten liegt. Eine halbe Stunde vor seiner Heimath befindet sich ein freier Wiesplatz mitten im Walde, das sind „die Hommelswiesen“, und hier sollte es, nach der allgemeinen Beschreibung, nie ganz richtig sein. Darum freute sich der Weber auch recht, als ihm ein Mensch nachrief: „Heda, Landsmann, wo hinaus geht der Weg nach Heimertshausen?“ Denn nun hatte er doch Gesellschaft. Er wendete sich um und sagte: „Ich bin von daher, geht mit mir!“ und so gingen die zwei mitsammen weiter.
Damals hatte es aber einen dünnen Hasenschnee auf die Erde geworfen, und es war um jene Tageszeit, die man „zwischen Licht und Dunkel“ nennt. Da hob der Fremde an und sagte: „Mann, steht still, ich sehe, Ihre habt etliche Stränge Garn verloren“; letztere hatte man dem Weber nämlich in Schellnhausen geschenkt und er wollte sie seinen Kindern mitbringen. „Kommt, wir wollen umwenden“, fuhr er fort, „ich will sie Euch suchen helfen!“
All dieses kam dem Weber, der die „weiße Kunst“ und das „Besprechen“ verstand, sonst aber ein gottesfürchtiger Christ war, doch etwas absonderlich vor, und er antwortete deshalb: „Mögen die Aepfel denn verloren sein, und was das Garn betrifft, so können meine Weibsleute anderes spinnen!“ Indem schaute er auf den Boden und ward hinter ihnen den Tapfen von einem Menschenfuß und neben demselben einen Pferdehuftritt gewahr, also, daß der böse Gefährte Niemand anders sein konnte, als der leidige Satan. Sobald fragte er ihn auch: „Kennst du den, der in des Himmels Wolken thront, den alle Engel anbeten, und der Jesus heißt?“
In diesem Augenblicke gab’s einen so entsetzlichen Sturmwind, daß der Weber meinte, alle Bäume des Waldes seien, wie die Halme der Saat, wenn das Wetter sie trifft der Länge nach zu Boden gestreckt; sein Begleiter aber war auf und davon und in der Luft verschwunden. Ganz außer sich kam der Geängstete heim und fiel, als er die Thüre seines Hauses öffnete, den langen Weg ohnmächtig in die Stube.
Als er wieder zu sich kam, war sein erstes Wort: „Geht einmal geschwind nach dem Hommelsberg, dort müssen alle Bäume umgefallen sein!“ Dann erst erzählte er sein unheimliches Erlebnis.
Der Fraustein bei Windhausen
Ein armer Weber aus Heimertshausen war in Schellnhausen gewesen, hatte dort eine Last Garn geholt und ging nun heimwärts durch den Wald, der zwischen beiden Orten liegt. Eine halbe Stunde vor seiner Heimath befindet sich ein freier Wiesplatz mitten im Walde, das sind „die Hommelswiesen“, und hier sollte es, nach der allgemeinen Beschreibung, nie ganz richtig sein. Darum freute sich der Weber auch recht, als ihm ein Mensch nachrief: „Heda, Landsmann, wo hinaus geht der Weg nach Heimertshausen?“ Denn nun hatte er doch Gesellschaft. Er wendete sich um und sagte: „Ich bin von daher, geht mit mir!“ und so gingen die zwei mitsammen weiter.
Damals hatte es aber einen dünnen Hasenschnee auf die Erde geworfen, und es war um jene Tageszeit, die man „zwischen Licht und Dunkel“ nennt. Da hob der Fremde an und sagte: „Mann, steht still, ich sehe, Ihre habt etliche Stränge Garn verloren“; letztere hatte man dem Weber nämlich in Schellnhausen geschenkt und er wollte sie seinen Kindern mitbringen. „Kommt, wir wollen umwenden“, fuhr er fort, „ich will sie Euch suchen helfen!“
All dieses kam dem Weber, der die „weiße Kunst“ und das „Besprechen“ verstand, sonst aber ein gottesfürchtiger Christ war, doch etwas absonderlich vor, und er antwortete deshalb: „Mögen die Aepfel denn verloren sein, und was das Garn betrifft, so können meine Weibsleute anderes spinnen!“ Indem schaute er auf den Boden und ward hinter ihnen den Tapfen von einem Menschenfuß und neben demselben einen Pferdehuftritt gewahr, also, daß der böse Gefährte Niemand anders sein konnte, als der leidige Satan. Sobald fragte er ihn auch: „Kennst du den, der in des Himmels Wolken thront, den alle Engel anbeten, und der Jesus heißt?“
In diesem Augenblicke gab’s einen so entsetzlichen Sturmwind, daß der Weber meinte, alle Bäume des Waldes seien, wie die Halme der Saat, wenn das Wetter sie trifft der Länge nach zu Boden gestreckt; sein Begleiter aber war auf und davon und in der Luft verschwunden. Ganz außer sich kam der Geängstete heim und fiel, als er die Thüre seines Hauses öffnete, den langen Weg ohnmächtig in die Stube.
Als er wieder zu sich kam, war sein erstes Wort: „Geht einmal geschwind nach dem Hommelsberg, dort müssen alle Bäume umgefallen sein!“ Dann erst erzählte er sein unheimliches Erlebnis.
Der Hexenmeister von Kästrich
Es ist eine alte Geschichte: „Ungestraft lässt sich der Teufel nicht rufen; wer ihn aber ruft, der muss ihm auch Arbeit verschaffen.“
In Kestrich war ein Mann, der unternahm es, die Schätze zu heben, welche der Sage nach in dem Steinrück bei Windhausen verborgen liegen, und wollte zu dem Ende die drei Alten heraufbeschwören, welche in dem Berggewölbe daselbst am steinernen Tisch sitzen soll. Er machte dazu alle nötigen Vorbereitungen zu Hause, zog mit Kreide doppelte Ringe auf den Stubenboden, und nachdem er Frau und Kind zu Bett gebracht hatte und ihnen die äußerste Ruhe anbefohlen hatte, ergriff er „die Schwarze Rabe“, welche das gemeine Gebetbuch aller Hexenmeister ist, setzte sich in einer der Kreise und begann zu lesen.
Es dauerte nicht lange so ging die Tür auf und ein Huhn gackerte im Hausährn. Der Hexenmeister rief: „Was willst du?“, das Huhn antwortete: „Du hast mich gerufen und darum bin ich da.“ Da fing er wieder an: „So will ich dich nicht, komme in anderer Gestalt!“ Er schlug die Tür zu, setzte sich in den Kreis und las weiter.
Bald öffnete sich dieselbe wieder und ein großer, zottiger Bär mit ausgereckten Tatzen und schrecklichem Rachen stand vor ihm. „Was willst du?“ fragte er denselben. „Du hast mich gerufen“, entgegnete der Bär, „und darum bin ich da.“ – „So will ich dich nicht“, schrie ihn der Hexenmeister an, „komme in andere Gestalt.“ – Der Bär fragte: „Sag mir in welcher?“ und Jener antwortete: „In schöner, und kannst du es, in Menschengestalt.“ – Darauf setzte er sich hin und las.
Nun ging’s wieder wie die beiden ersten Male, nur stand jetzt ein blutjunger Mensch vor ihm, wie ein Jägersbürschlein anzusehen. Zu diesem sprach er: „Komm mit“, und hieß ihn in den leeren Kreis treten. „Sag mir“, hub er an, „kann ich die Schätze heben im Steinrück?“ – „Ja“, antwortete der Jäger, „wenn du die Bedingungen erfüllst.“ – „Nun, was hab ich zutun?“ – „Du musst auf Walbersnacht wiederkommen und drei Dinge zum Opfer bringen, einen schwarzen Bock, einen weißen Entenschnabel und eine Buben von acht Jahren, der aus deinen Lenden entsprossen ist.“
Bei diesen Worten wendete er sich um nach dem Bette, in welchem die Frau mit seinem achtjährigen Söhnlein lag, und warf auf dasselbe einen so furchtbaren Blick, dass der Mutter das Herzblut zu Eis gefror. „Gelt“, sagte er dann, „das ist dir zu schwer,“ als der Hexenmeister zauderte. „Ja“, antwortete dieser, „den Bub mag ich nicht hergeben, es ist mein Herzblatt.“
Als dies der Jäger hörte, schrie er: „Willst du also nicht, nun, so lass es bleiben; aber mache fort, ich habe Eile!“ und stampfte vor Wut mit dem Fuße. Da entließ ihn der Hexenmeister und trat an das Bett seiner Frau.
Gleich fing er aber auch bitterlich an zu heulen. Der giftige Blick des Teufels hatte die Arme jählings getötet.
Die Alten im Steinruck
Schon länger denn hundert Jahre ist es her, dass in Windhausen ein Mann lebte, der von da nicht gebürtig war, sondern sich ins Dorf verheiratet hatte. Also wusste er auch von all den wundersamen Mären kein Wort, welche die dortigen Leute beim Besuch und in der Spinnstube aus alter Zeit zu erzählen pflegten. Noch weniger wusste er von dem Steinrück oder Steinküppel, einem benachbarten Berge, etwas, obschon von demselben allgemein der Glaube verbreitet war, dort oben habe früher ein Raubschloss gestanden oder sonst eine Wohnung, mit Gewissheit konnte es niemand behaupten. Denn der Matz lag wüst, Gestrüpp wuchs darauf und große behauene Steine sah man ringsum zerstreut, und wer bauen wollte drunten im Dorf, oder sonst wo, holte allda seinen Bedarf und brauchte niemand darüber um Erlaubnis zu fragen.
Nun geschah es, dass, als der Mann gerade im siebenten Jahre in Windhausen lebte, er in einer Nacht eine Erscheinung hatte. Es trat nämlich unversehens vor das Bett, in welchem er schlief, eine gar jugendlich schöne und züchtige Jungfrau, die durchaus in weiße Gewänder gekleidet war, und flehte ihn, um der Barmherzigkeit Gottes willen, an, sie zu erlösen. Zu gleicher Zeit reichte sie ihm auch ein großes Gebund Schlüssel entgegen, welches sie am Gürtel befestigt getragen hatte, und sagte ihm: „Er sei zu ihrer Erlösung der einzige Mensch, der seit tausend Jahren unter so glückhaftem Gestirn und zu so guter Stunde geboren sei, und sie habe auf ihn ihre ganze Hoffnung gesetzt. Indes brauche er nicht zu denken, dass bei ihrem Ansinnen ihm irgendein Böses widerfahren werde, es sei im Gegenteil alles gut und leicht zu erfüllen, was sie fordere, und er könne sich darüber alle Angst vergehen lassen. Zudem werde sie ihn königlich belohnen und alle die vielen Schätze zuwenden, die im Steinrück seit Menschengedenken unter der Erde lägen.“
Sie sagte dem Manne dies alles so deutlich und ausführlich, dass ihm kein Wort entging, und ließ mit Bitten und Flehen nicht ab bis zum Mitternachtsschlage, da erst verschwand sie mit einem tiefen, schmerzlichen Seufzer. Der Mann nämlich hatte einen rechtschaffenen, gottesfürchtigen Sinn, wollte sich in solch einen ungewissen, gewagten Handel nicht einlassen und lehnte unbedenklich und rundum alles ab. Am Morgen freilich kam ihm die Sache ganz wunderlich und unglaublich vor; auch wusste er nicht recht, ob er dabei gewacht oder geträumt hatte, und so schlug er sich das Abenteuer aus dem Sinn.
Es vergingen wieder sieben Jahre, und als die um waren und er in der Nacht des nämlichen Tages wie sonst zu Bett lag, kam dieselbe Erscheinung ihm vor Augen. Weit dringender noch wiederholte die Jungfrau ihre Bitte und wollte ihm mit Gewalt die Schlüssel aufzwingen, allein er blieb auch dieses Mal standhaft und erhörte sie nicht. Die Begebenheit aber ließ ihm von da an keine Ruhe im Gemüte, und er nahm sich fest vor, wenn es gleich also wiederkommen sollte, dann wollte er es in Gottes Namen wagen, die dargebotenen Schlüssel ergreifen und zusehen, wie das Ding weiter auslaufen würde.
Und richtig, nach abermals sieben Jahren – er wusste nicht, wachte oder träumte er, aber er sah und hörte alles ganz genau – stand, wie er geahnt, die Jungfrau abermals vor ihm und machte denselben Antrag wie vorhin. Da besann er sich denn nicht lange und nahm das dargebotene Schlüsselbund zur Hand. Darauf bedeutete ihm dieselbe, sich eilends in die Kleider zu werfen und ihr zu folgen. Die Jungfrau aber war vor Freude wie außer sich, lief bald vor, bald neben ihm her und führte das schönste Gesprächspiel mit ihm, das man sich nur denken konnte. So gelangten sie aus dem Hause ins Dorf und dann ins Feld, und die Jungfrau schlug querfeldein den Weg ein nach dem Steinrück, so dass er Mühe hatte, ihr auf der Ferse zu bleiben; denn sie ermahnte ihn fortwährend zur Eile, damit nichts versäumt werde.
Als sie zu zweit auf der Höhe angelangt waren und eine Weile durch die Steine und das Gestrüpp sich Bahn gebrochen hatten, kamen sie an einen Platz, auf welchem ein großer Quaderstein lag, und es dröhnte dumpf beim Auftreten unter ihren Füßen, als ob der Berg hohl wäre. Auf dem Quadersteine sahen sie eine große funkelnde Kanne von geschlagenem Silber stehen, deren Deckel geöffnet und die mit lauter Goldstücken bis obenhin angefüllt war. Diese Kanne hatte der Mann große Lust sich gleich mit heim zu nehmen und griff flugs darnach. Allein die Jungfrau sagte: „Lass sie in Ruhe, sie ist noch lange nicht das Beste!“
Hierauf ging sie ein paar Schritte seitwärts, und siehe, nun war auf einmal eine Vertiefung im Berg, die wie eine Höhle sich ansah, dahinein stiegen sie nun hinab. Es war aber alles so helle, dass man eine Stecknadel auf dem Boden hätte aufheben können. Nach einer kurzen Wanderung durch die Höhle fing eine breite, steinerne Treppe an, die führte fast senkrecht in die Tiefe. Der Mann gedachte an den Heimweg und begann die Stufen zu zählen. Als er ihrer gerade hundert gezählt hatte, hörte die Treppe auf, und sie standen nun vor einer schweren, eisenbeschlagenen Türe. Die Jungfrau zeigte ihm alsbald den rechten Schlüssel zu dem alten, verrosteten Schloss, und nachdem er mit vieler Mühe mehrmals gedreht hatte, fuhr die Türe weit auf.
Ein hohes, gemauertes Gewölbe tat sich jetzt vor ihnen auf, eine Ampel mit spärlichem Lichte hing von der Decke herab; die Luft war gar feucht und modrig in dem Gemach, und von den Wänden tropfte das Wasser. Rechts von der Türe sah man einen langen steinernen Tisch, und an demselben saßen drei große, breitschultrige Männer. Ihr Kopf ruhte auf ihren auf dem Tisch aufliegenden Armen, wie wenn sie im tiefsten Schlafe lägen. Als die Türe aufging und die beiden näher traten, zwinkerten sie einen Augenblick mit den Augen, nachher sanken die Häupter wieder auf die Arme, und sie rührten und regten sich nicht mehr. Unter ihren Füßen, bis zur Höhe des Tisches, lagen Säcke aufgeschichtet. Links von den drei Alten aber war noch etwas, das konnte man nicht recht erkennen. Der Mann fragte aus Neugier: „Was ist das hier?“ Die Jungfrau antwortete: „Das ist alter Firnewein, der liegt in seiner eigenen Mutter.“ Sie trieb dabei ihren Begleiter in einem fort zur Eile an und hieß ihn einen der Säcke unter dem Tische ergreifen, um ihn mitzunehmen. Also zog er aufs Geratewohl einen heraus, sie aber holte ihm statt desselben einen andern, langen und ledernen, und weil er diesen allein auf seine Schultern nicht heben konnte, weil er allzu schwer von Gewicht war, lud sie selber ihm die kostbare Last auf. Dann trieb sie mit der größten Ängstlichkeit zum Fortgehen: „Eile, eile, ehe die Türe zufährt!“ Das ließ sich der Mann nicht zweimal sagen und tummelte sich, was er konnte. Fast war er glücklich durch den Eingang entronnen, als die Türe mit der Geschwindigkeit des Blitzes und unter starkem Dröhnen wieder zuschlug. So kam es, dass seine Ferse am linken Fuße getroffen wurde und er empfindliche Schmerzen zu fühlen begann.
Bei der ungeheuren Freude und Aufregung dachte er übrigens nicht lange daran, denn die Jungfrau ging vor ihm her, sie stiegen die hundert Treppentritte wieder aufwärts, und unter den lieblichsten Gesprächen verstrich ihnen die Zeit. „Wie bist du nun so reich und glücklich“, sprach sie zu ihm, „und wie viel reicher wirst du noch werden! Denn sieh, all die vielen Säcke mit Geld und all der edle Wein, den du gesehen hast, sind dir bestimmt. Die werden wir allesamt, nach und nach, wie heute, holen, und dann bin ich von meinem Fluche erlöst.“
Unterdessen kamen sie oben auf der Erde wieder an, drangen durch das Gestrüpp und wendeten sich, aber in entgegen gesetzter Richtung vom Dorfe, nach einem nahe gelegenen Walde. Warum sie gerade diese Richtung nahmen, wagte der Mann nicht zu fragen, obschon es in dem Walde sehr finster und gruselig war; er ging immer getrost der Jungfrau nach. Als sie den Wald hinter sich hatten, befanden sie sich auf einer wüsten Heide, und zufällig schaute der Mann rückwärts. Da kam ein andrer Mann mit großen eiligen Schritten ihnen nachgegangen, der war grasegrün angetan von Kopf bis zu Fuß wie ein Jäger, trug einen grünen Hut mit einer langen, ritzeroten Feder darauf und hatte ein Gesicht wie all nichts Guts. Als er diesen unheimlichen Gesellen gewahrte, überfiel den Mann die höllische Angst, und er zitterte am ganzen Leibe. Ganz entsetzt fragte er die Jungfrau: „Sag, um Gottes willen, wer ist das?“ Sie antwortete, und er merkte ihr an, dass es ihr auch nicht wohl zumute war: „Fürchte dich nicht, der gehört nicht zu uns, der geht seine eigenen Wege. Bekümmre dich nicht um ihn, denk lieber an den großen Schatz, den du gewonnen hast.“ Überdem kam der Grünrock immer näher heran, und dem Mann ward es noch viel schwüler ums Herz. Der Sack mit Geld brannte ihn wie das ewige Feuer. Er konnte sich nicht länger halten, er wusste nicht, was er Tat.
Die Schlüssel warf er auf den Boden, dass sie laut erklangen, und den Sack riss er von den Schultern; der kollerte der Jungfrau vor die Füße. „Da hast du alles wieder!“ schrie er. „Ich mag’s nicht, und wenn ich damit ein Königreich kaufen könnte! Und lass mich jetzt in Ruhe, ich will nimmermehr etwas von dir wissen!“
Auf diesen Ausgang war die Jungfrau nicht gefasst, denn sie glaubte sich schon am Ziel, aber nun tat sie einen Schrei, so laut, so grausig, dass er durch Mark und Bein schnitt, und fuhr auf und davon in die Luft. Er sah sie im Augenblick nicht mehr; es wurde dunkel vor seinen Augen.
Als er zu sich selbst kam, lag er daheim im Bette, aber müde und zerschlagen in allen Gliedern, und die Erlebnisse der Nacht dünkten ihm wie ein wüster Traum. Am Morgen aber konnte er nicht aufstehen; denn einer seiner Füße war grün und blau gequetscht an der Ferse und über und über verschwollen. So war denn alles wahr gewesen, was ihm begegnet, so seltsam es auch sein mochte, der Schmerz an der Ferse erinnerte ihn sein Lebtag daran. Niemals gelüstete es ihn aber späterhin, dasselbe Wagnis wieder zu unternehmen, obschon bis an seinen Tod die Jungfrau noch oft kam und ihn dazu aufforderte. „Auf diesen Schätzen“, sagte er zu seinen Kindern, „ruht kein Segen und drum rühr ich keine Hand darnach!“ Merkwürdig war’s aber, dass er an dem Tag und zu der Stunde starb, wie es ihm die Jungfrau vorausgesagt hatte, und noch in seinen letzten Augenblicken hörten ihn die Seinigen davon reden, dass eine blasse, weiße Gestalt mit kläglichen Gebärden vor ihm stehe. Das war die arme, verwünschte Jungfrau, der mit seinem Tode alle Hoffnung auf Erlösung verschwand.
Aus: Theodor Bindewald: Oberhessisches Sagenbuch, Frankfurt 1873